"Ich weiss nicht...", sagte ich ein weiteres mal, doch schaffte es diesmal, den Satz zu beenden. "...wo ich anfangen soll..."
ich senkte den Blick. "Ich wollte meine Familie finden, ich habe den Gedanken nicht ausgehalten, dass sie denken ich hätte sie verlassen. Ich meine...der Verlust spielt bei uns keine so große Rolle...aber im Clan wurde ich vom Gegenteil überzeugt und wollte das klar stellen, um mich selbst besser zu fühlen...", strömten die Worte plötzlich aus mir heraus. Ob sie Sinn machten wusste ich nicht, doch wollte ich, dass er mich verstand.

Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck hörte ich zu. Selbst nachdem er fertig gesprochen hatte, äußerte ich kein einziges Wort.
Er hatte also den Clan verlassen, mich verlassen, um seine Familie zu finden. Nur dafür? Nicht ein Wort hatte er mir davor erzählt und nun kam er einfach wieder hier her. Einerseits wollte ich ihn für seine Handlung lächerlich machen, andererseits... konnte ich seine Gedankengänge nicht nachvollziehen. Ich selbst hatte nie eine wirkliche Familie gehabt. Der Clan hatte mich aufgenommen und aufgezogen, doch er war keine... Familie. Und die einzige Katze, der ich am meisten in meinem Leben vertraut hatte, stand nun vor mir, nachdem sie mich ohne ein Wort zu sagen verlassen hatte. Wie konnte ich auch nur versuchen den Kater vor mir für seine Taten zu verurteilen. Schließlich konnte ich ihn nicht verstehen. Ich hatte kein Recht dazu. Trotzdem blieben die Unruhen in mir vorhanden.
Der Anflug eines bitteren Lächelns huschte über mein Gesicht, zu flüchtig, um wirklich wahrgenommen zu werden.
"Verstehe." Lügen. Alles nur Lügen. Ich verstand nichts davon.

"Es tut mir so leid. Ich...ich bin nie dazu gekommen sie wieder zu sehen. Ich weiss ja nichteinmal, wohin ich muss. Es wäre eine sinnlose suche gewesen.", spoilerte ich das Ergebnis meiner Suche. "Schon nach kurzer Zeit hatte ich das Bedürfnis umzukehren. Die einzige Katze die mir jemals soviel bedeutet hatte wie meine familie, hatte ich im Clan zurück gelassen. Und ich wollte umkehren bevor es zu spät war, und ich werder den Clan noch meinen Geburtsort wieder fand. Aber die Blattleere hatte mir einen strich durch die Rechnung gemacht, und verhindert, dass ich meine Spur zurück verfolgen konnte. So habe ich die Orientierung verloren.", erzählte ich weiter. "ich weiss dass du wütend bist, umd mir das vielleicht niemals verzeihst. Und...wenn du mir sagst dass es dein Wunsch ist, werde ich wieder gehen. Aber...ich wollte dass du den Grund kennst."

Ich wagte es nicht einmal zu fragen, welche Katze es war, die er im Clan zurückgelassen hatte, da es sicher nicht ich war. Wie naiv von mir.
Der Grund, weshalb er erst jetzt zurückkam, weshalb er an erster Stelle überhaupt gegangen war, war mir schnuppe. Ich wäre damit klar gekommen, wenn er einfach nur auf seine Familiensuche gegangen wäre - vielleicht hätte ich ihn sogar begleitet und unterstützt.
"Wütend?", mein Kopf kippte leicht zur Seite. Meine Stimme blieb seltsam ruhig, zu ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm. "Wie könnte ich wütend sein? Mein mehr als nur bester Freund ist ja einfach nur davonspaziert ohne mir auch nur ein Wort von seinem Vorhaben zu erzählen und hat mir mondelang Tag und Nacht schlaflose Nächte bereitet, in denen ich überall, wo es möglich war, nach ihm gesucht habe."
Ein unechtes Lächeln, das nicht meine Augen erreichte, zierte meine Lippen, als ich bei jedem Satz einen Schritt vortrat, bis ich Nase an Nase zu ihm stand. Ich starrte ihn durchdringend an, bevor ich mich wieder abwandte. Diese plötzliche Nähe tat nicht einmal mir gut.

Traurig drehte ich den Kopf weg. Ich wäre damit klar gekommen, hätte er mich beschimpft, oder angegriffen, was auch immer. Aber diese gefährliche Ruhe hielt ich nicht aus. "Es war wohl keine gute Idee zurück zu kehren. ich wollte dir nicht weh tun...das wäre das letzte das ich gewollt hätte.", meinte ich leise.
Ich war mir sicher dass er nicht davon ausgig, dass ich von ihm gesprochen hatte. Doch wollte ich es ihm nicht unter die Nase reiben. Das würde es beiden Seiten wohl nur erschweren.

Ich peitschte gereizt mit dem Schweif, zwang mich jedoch, mein Fell angelegt zu lassen. Irgendetwas in mir wollte diesen dummen Fellball in einen Fluss in der Blattleere schubsen. Vielleicht wurde er dann mal wach.
"Was erwartest du denn von mir? Dass ich einfach vergesse, dass du, ohne mir auch nur irgendetwas zu sagen, verschwunden bist, und dich wieder heiter und fröhlich willkommen heiße, als sei nichts gewesen?" Dieses Mal lag deutlich Ärger in meiner Stimme, dennoch war sie nicht sonderlich lauter als vorher. Ich drehte mich weg, weigerte mich, ihn wieder anzusehen und legte die Ohren an.
"Was denkst du denn, was... was ich gedacht habe, als du auf einmal nicht mehr aufzufinden warst?" Bei dem Gedanken daran, wie ich mich damals gefühlt hatte, spannte ich instinktiv meine Muskeln an und grub die Krallen in den Boden, wie um mich festzuankern.

Ich schüttelte den Kopf. "Ich erwarte nichts von dir...ich...ich dachte nur dass du es irgendwann schaffst mir zu verzeigen. Dass es vielleicht leichter ist, wenn du den Grund kennst.", meine Stimme war leiser geworden. "Du kannst dir nicht vorstellen wie oft mich der Gedanke daran, dass du mir nicht verzeihen wirst, wachgehalten hat.", ich brachte ein mattes lächeln zustande, welches nicht zu meinen müden, traurigen Augen passte. "Mäusedreck."

"Das ist genau der passende Ausdruck. Dein Grund, wieso du gegangen bist, und wie oft du wachgelegen bist, um an meine dämliche unwichtige Verzeihung zu denken, interessiert mich einen Mäusedreck", das letzte Wort fauchte ich halbwegs. Ich hielt inne, bevor ich wieder mit etwas ruhigerer Stimme fortfuhr: "Du bist ein dämliches Mäusehirn, das nichts kapiert, selbst wenn man es ihm direkt vor die Nase wirft. Verzeihen? Was genau soll ich dir verzeihen? Dass du mich verlassen hast oder dass du mich glauben lassen hast, dir sei irgendetwas geschehen?"
Meine Schultern zitterten etwas vor Anstrengung, meine impulsiven Gefühle zu unterdrücken. Mein Blick war starr auf meine Pfoten gerichtet und ich wandte Nightmarehunter noch immer meinen Rücken zu.
"Dass du deine Familie suchen gehen wolltest ist eine Sache, die ich mehr oder weniger verstehen und akzeptieren kann. Aber du...!" Ich stoppte mitten im Satz, nicht in der Lage weiter zu sprechen.

"A-aber es ist nich unwichtig...", stammelte ich und fühlte mich unfassbar dumm. Ich wollte dass diese Unterhaltung vorbei war, dass alles wieder beim alten war. Ich wollte ihm ins gesicht schreien, dass er alles war, das ich hatte, und das mich jemals an den Clan band.
Ohne ihn, hätte ich es niemals soweit gebracht. "Aber ich? Was willst du sagen?"

"Du..." Ich holte tief Luft, bevor ich fortfuhr. "Du hast einfach kein einziges Wort gesagt. Wenn du auch nur einmal dein Gehirn eingeschaltet hättest, wärst du vielleicht auf die Idee gekommen, mir zu sagen, dass du gehst." Dass ich den Kater anfing zu beleidigen, war mir ziemlich egal. Es war die Wahrheit. Er war vermutlich die einzige Katze, die es je geschafft hatte, ohne Vorwarnung zu verschwinden und dann über deren Verzeihung nachzudenken, anstatt darüber, dass die Zurückgelassenen das Schlimmste befürchten könnten.
"Ist jetzt auch nicht so, als hätte ich dich dann festgekettet und dir verboten zu gehen."
Meine Sicht wurde verschwommen. Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass Tränen sich ihren Weg aus meinen Augen bahnten und vor mir auf dem Boden tropften.
Zum Glück konnte Nightmarehunter in dieser Position mein Gesicht nicht sehen - sonst wäre ich schon längst im Unterholz verschwunden. Der Kater hatte es nicht verdient zu sehen, dass er jemanden wie mich zum Weinen gebracht hatte.

(QAQ)