Meine Augen... Ich hatte meine Jungen nicht lange behalten können. Womöglich war also alles was dieser Kätzin in Erinnerung von mir geblieben war wie ich meinen Blick über sie und ihre Geschwister streichen ließ. Meine Tochter. Das Wort explodierte in meinem Kopf und ließ den Reflex in mir erwachen all diese wiederentdeckten Erinnerungen sofort wieder einzusperrechn. Noch war es nicht zu spät. Aber ich tat es nicht, nein, stattdessen wurde mein Blick bewundernd, fast sanft, als ich erneut über die Kätzin blickte. So hübsch war sie geworden. Die Boshaftigkeit in meinem Herzen zog sich kurzzeitig zurück und ich straffte die Schultern, bemühte mich um eine feste Stimme und klare Augen. ,,Nun, ich erinnere mich an dich. Nur warst du damals noch ein kleines..." Nein, ich schaffte es nicht das Zittern aufzuhalten, welches sich erneut in meine Stimme schlich. ,,...kleines, hilfloses... Ding." So wie ich es aussprach klang es nicht herablassend, ganz im Gegenteil. In dem Wort steckte so viel Liebe wie ich sie wohl seit Monden nicht mehr gefühlt und schon gar nicht gezeigt hatte.

Ihrer Reaktion nach, schien die junge Kätzin trotz des Wissens meine Augen bereits gesehen zu haben, mit so etwas nicht gerechnet zu haben. Wie auch? Auf einmal stolperte eine völlig Fremde in ihr Leben und entpuppte sich als ihre Erzeugerin - ein Schicksalsschlag von Diamentis persönlich, wie es schien. Jedoch endete meist alles was die Göttin des Lebens begann in den Intrigen und bösen Spielchen von Ma'haena. Meine liebste Gottheit hatte nämlich Gefallen daran zu verderben wo Glück herrschte und wo auch immer etwas Schlechtes auf etwas Gutes folgte, hatte sie ihre Finger im Spiel. Ähnlich wie mir bereitete ihr das nämlich Freude. Ich spürte leises Unbehagen in mir aufsteigen, als ich meine Tochter - Bei den Großen, Tochter! - weiter musterte und diese Gedanken verfolgte. Ich war nicht mehr wie früher. Ich war jetzt anders. Besser, wie ich immer fand. Doch als ich dieses totgeglaubte Gesicht ansah, spürte ich ganz deutlich wie die alte Veilchen, wo auch immer ich sie in mir begraben hatte, sich regte. Nur wenig, kaum ein Hauch, mehr war sie in mir auch nicht mehr. Eigenhändig hatte ich sie innerlich bezwungen, getötet. Und ich würde auch nie mehr zu ihr zurückfinden, so viel stand fest. Obwohl meine Augen weich blieben, verhärtete sich mein Gesichtsausdruck und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder aufs Hier und Jetzt.
,,Ja." Ich wusste nicht wie ich schonender antworten sollte und wieso auch? Es war nun einmal die Wahrheit. Außerdem schien die Kätzin es bereits selbst erfasst zu haben. ,,Ich bin deine Mutter." Kurz hielt ich inne, weil ich nicht mehr wollte dass meine Stimme schwächelte. ,,Man nennt mich Veilchen..."

Veilchen bei @Owlpaw

Eine Clankatze? Ich spürte so etwas wie Enttäuschung in mir, immerhin hielt ich nicht gerade viel von diesen Gemeinschaften. In meiner Mimik spiegelte sich das auch wieder; ich rümpfte die Nase und hob die Augenbrauen an. Allerdings nur kurz, dann korrigierte ich meine angespannte Haltung und glitt in eine anmutige, leicht abgehobene Sitzposition. ,,Schön. Owlpaw." Wer ihr den Namen wohl gegeben hatte? Hatte sie eine neue Mutter? Unmerklich vergrub ich meine Krallen in den Grund, blieb aber sonst gelassen. ,,Du hast sicher fragen, stell sie lieber jetzt, wo du noch die Gelegenheit hast..."

Veilchen bei @Owlpaw

Auch ich nahm eine Veränderung in der Haltung meiner Tochter wahr, bevor sie sich auch in ihren nächsten Worten zeigte. Diese brachten mir sehr viel Schmerz bei, aber ich schob ihn zu den anderen in den Keller. Ich sollte nicht schwach sein, ich konnte es mir nicht erlauben. Die liebevolle Mutter dieser Kätzin war tot und nichts war von ihr geblieben außer Erinnerungen, umhüllt in einem dichten Nebel. Wenn ich es ihr nun also erklären und erwidern würde, dass sie für mich keine Fremde war, sondern meine verloren geglaubte Tochter und wie sehr ich sie liebte... Was würde diese Lüge schon bringen? Würden wir verlorene Zeiten nachholen können? Mutter-Tochter spielen? Uns nahe stehen? Ich tränkte meine Gedanken in Verachtung, aber mein Herz konnte ich nicht beeinflussen. Es erbebte bei diesen Vorstellungen und es kostete mich Kraft ruhig zu bleiben. ,,Das klingt ja fast nach einem Vorwurf", gab ich zurück und ein unpassendes, herablassendes Grinsen zierte kurzzeitig mein Gesicht. Dann verschwand es abrupt. ,,Du hast keine Ahnung wovon du da sprichst. Du möchtest nichts über das erfahren, was uns widerfahren ist? Schön. Aber dann solltest du vielleicht deine Zunge hüten, wenn du über Dinge sprichst von denen du keine Ahnung hast." Die Heftigkeit mit der ich antwortete entzog ich dem Schmerz, den mir ihre Aussage beigebracht hatte. ,,Ich kenne eine Veilchen, die bis ans Ende der Welt gerannt wäre um ihre Jungen zu suchen." Diese Worte sprach ich leise und meine Augen verdunkelten sich etwas. Nun ja, diese Veilchen existierte inzwischen nicht mehr.

,,(...)prügelte die aufkommenden Gefühle zurück" Diese Formulierung xD Fancy

Natürlich war ich physisch betrachtet noch die selbe Katze. Größer und weitaus hübscher als früher zwar, aber das Fell war das selbe, ebenso wie meine anderen Bestandteile weiterhin zu mir gehörten. Wobei mein Kopf eben durchaus eine Ausnahme bildete. Mental war ich nicht mehr mit der alten Katze zu vergleichen. Rein gar nicht. Frühere Werte waren abgebaut worden (wie etwa mein Gewissen) , Erinnerungen so weit verdrängt, dass sie kaum mehr existierten. Mein Geist war inzwischen böser Natur, selbst wenn meine Boshaftigkeit noch immer Grenzen kannte. Und doch hatte @Owlpaw recht.
,Du bist meine Mutter und wirst es immer bleiben, egal was passiert." Und das nicht nur auf rein physischer Ebene, denn da war ja noch mein Herz. Und obwohl meine Gedanken verdorben waren, meine Gelüste und mein Ego über mich herrschten und das Herz kaum mehr Macht über mich besaß, so war es doch da. Der Grund dafür, dass das Auftauchen meiner Tochter mir nicht egal war, obwohl es das so leicht hätte sein können. Ob es wohl stimmte, dass eine Mutter nie aufhörte ihre Jungen zu lieben? Eine ziemlich furchtbare Vorstellung. ,,Natürlich werde ich immer deine...Erzeugerin sein". Der unpersönliche Ausdruck schnitt mir selber ins Fleisch, doch er war beabsichtigt. ,,Wenn du mir also keine Vorwürfe machst, noch irgendwelche Fragen an mich hast, sondern mit mir abgeschlossen hast..." Es brannte, ich wimmerte beinahe, obwohl es doch nur psychischer Schmerz war, Einbildung. ,,...was steht dir dann im Sinn? Willst du dich umdrehen, gehen und dich deinem neuen Leben widmen?" Meine Stimme klang kalt, aber die Schärfe in ihr verriet wie aufgewühlt ich war. ,,In dem Fall, bitte sehr. Und entschuldige, dass ich deine Zeit so leichtsinnig verschwendet habe." Spott, so beißend und mindestens ebenso schmerzhaft.