Ich zwängte mich zwischen zwei Ästen hindurch, peilte den nächsten Ast an und sprang. Schockiert riss ich die Augen auf als Luchspfote den Ast nur wenige Herzschläge vor mir erreicht und ich nur knapp neben ihm landete.

Als ich Habichtsprung plötzlich neben mir auftauchte, zuckte ich vor Schreck zusammen und wäre beinahe den Ast hinunter gerutscht, konnte mich jedoch noch im letzten Moment halten. "Pass doch auf wo du hinspringst", funkelte ich ihn an. Schließlich hätte das Ganze schlimmer enden können als nur mit meinem kurzen Ausrutscher.

,,Sorry" sagte ich und leckte ihm kurz entschuldigend übers gesunde Ohr, dann sprang ich eilig weiter. Um vor seiner Reaktion oder dem Gedanken, was hätte passieren können zu fliehen oder um zu gewinnen, wusste ich nicht so sicher.

Ich schüttelte mich kurz und warf ihm einen empörten Blick hinterher, ehe ich ebenfalls schleunigst höher sprang und dieses Mal darauf achtete nicht auf denselben Ast wie Habichtsprung zu zielen. Dabei ignorierte ich geflissentlich das Kribbeln, das sich in meinem Ohr ausgebreitet hatte, und konzentrierte mich eher darauf meine Krallen in die Rinde zu bohren.

Ich kletterte weiter und weiter und nahm um mich herum nur die Rinde und Äste und das angenehme brennen in meinen Muskeln wahr bis ich schlagartig anhielt, Luchspfote ungefähr auf meiner Höhe auf der anderen Seite des Baumes. ,,Ähm" Ich sah nach unten und wieder zu ihm. ,,Wo ist die Mitte des Baumes?" Wir befanden uns schon recht weit, wenn nicht sogar schon höher als die Mitte des Baumes.

Ich hielt leicht keuchend inne und sah mich nur für einen Augenblick um, doch sobald ich unsere Situation erkannte, krallten sich meine Krallen tief in das Holz unter meinen Pfoten. "Ich glaube, die haben wir schon längst hinter uns gelassen", miaute ich trocken, doch war ich nicht auch nur annähernd so ruhig wie ich klang. Unmerklich drückte ich mich gegen den festen Baumstamm, der mir zumindest ein kleines Gefühl der Sicherheit gab, wenn auch nur ein wirklich klitzekleines, und starrte in die Tiefe hinab. Der Boden wirkte so weit entfernt, dass mir immer mulmiger zumute wurde.

Mein Blick folgte ihm zum Boden und ich bemerkte seine Anspannung. ,,Schau" miaute ich deshalb und deutete in die Ferne. Von hier konnte man weit über die Baumwipfel hinwegblicken. In der einen Richtung sah man denn See und dahinter die Hagelclanberge und in der anderen erstreckte sich Wald und Zweibeinerorte und das ganze unerforschte Land jenseits der Clanterritorien. ,,Man hat beinahe das Gefühl, man würde fliegen"

Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu, blickte jedoch in die gezeigte Richtung und es verschlug mir, wenn auch nur einen Augenblick lang, die Sprache. Es sah wirklich schön aus, beinahe überirdisch, besonders da die Sonne inzwischen langsam gesunken war und nun alles in ein orange-rotes Licht tauchte. Und ein paar Momente lang konnte ich die Tatsache, dass ich auf irgendeinem hohen Baum saß und nicht wusste wie ich wieder runterkommen sollte ohne mir das Genick zu brechen, ignorieren.

Ich sah Luchspfote zu und das Licht der tief stehenden sonne ließ sein Fell und seine Augen scheinen. Fast noch schöner als die Aussicht vor uns. Ich wusste, dass wir gleich wieder runter mussten, doch für einen Moment sagte ich einfach nichts, genoss die Ruhe um uns herum, das Licht, die Aussicht und das Zusammensein mit einer Katze die ich mochte.

Trotz allem war ich mir der Anwesenheit einer weiteren Katze unangenehm bewusst - oder angenehm? ich konnte es nicht unterscheiden - und deren Blick, der auf mir lag. Fragend sah ich mit meinen goldorange leuchtenden Augen zu Habichtsprung hinüber, sobald ich mich von dem Anblick der Aussicht lösen konnte, "Ist etwas?"