"Ich vergebe dir", hauchte ich ehe er mich freigab und spürte wie das Wasser mich fort riss. Nach einigen Herzschlägen atmete ich schwer und wurde immer wieder unter die Wasseroberfläche gedrückt. Meine Pfoten paddelten wie wild in der Hoffnung, irgendwann festen Boden zu erreichen. Doch da war kein Grund und so wedelten sie im kalten Nichts. Die Flut hatte mich vollständig gepackt und riss mich immer weiter. Meine Kraft ließ nach, auch wenn ich noch so sehr dagegen ankämpfte. Ich schloss meine Augen.
Einen Herzschlag lang später sah ich sie vor mir. Meine beiden Brüder sprangen wie wild umher, neben ihnen die schwarze Kätzin mit den grünen Augen. Freude kam in mir auf, als ich sie so spielen sah. Einige Fuchslängen weiter sah ich meine Eltern, so glücklich wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Beide lebendig, kraftvoll und stolz auf ihre Jungen. Ich blinzelte und fand mich auf dem Trainingsplatz wieder. Tupfenstern stand vor mir, edel und wunderschön, in ihrer Blütezeit als Anführerin. Sie lächelte mich an und nahm eine Kampfstellung ein. Ich fühlte mich plötzlich wieder wie die junge Schülerin, die ich einst gewesen war. Sie rannte auf mich zu und warf mich zu Boden, ihre Pfoten hielten meine Schultern am Boden.
Kurz nach dem Aufprall spürte ich wie mir der Boden entglitt und ich meinen Verstand zurück erlangte. Das tiefe, dunkelblaue Wasser hatte mich erneut umschlossen und nahm mir sowohl Kraft als auch Atem. Ich hörte das Rauschen und den Druck der Flut, ich wusste nicht wie weit sie mich schon getrieben hatte. Ich hatte das Gefühl für die Kälte bereits verloren und mich überkam ein Gefühl von Leichtigkeit. Ich schloss erneut meine Augen.
Ich hörte ein leises Schnurren und spürte angenehme Wärme neben mir. Ein Kater lag neben mir und spielten mit vier kleinen Kätzchen. Sie alle sahen ihrem Vater sehr ähnlich, mir kaum, dennoch liebte ich sie von ganzem Herzen. Kurzzeitig dachte ich daran, dass meine Jungen alle bereits verstorben waren und es zerbrach mir das Herz. Junge sollten niemals vor ihren Eltern sterben, doch so hatte es der SternenClan vorgesehen. Das Gefühl der Trauer hielt nicht lange an, denn ich sah sie alle vor mir heran wachsen, alle zu ehrenvollen Kriegern.
Ich sah von meinen Jungen auf zu dem Kater der neben mir lag, seine Gestalt hatte sich verändert. Es war nicht mehr Windherz sondern Himmelklang. Von ihm ging die gleiche Zuneigung aus, so hatte ich den Wechsel der beiden Kater kaum wahrgenommen. Ich sah im Laufe der wenigen Herzschläge viele Katzen vor mir, Schüler die ich trainiert, Katzen denen ich im Kampfe gegenüber gestanden hatte. Sie alle waren mir fremd und doch so nah, dass ich nicht einmal sagen konnte, ob sie Freund oder Feind gewesen waren. Der Grund unter meinen Pfoten begann sich zu verändern, das weiche Graß war zu hartem Gestein geworden. Ich stand auf einem Felsen, vor mir eine Menge von Katzen. Ich versuchte sie zu identifizieren, doch ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Ich sah an mir selbst herab, ich war älter geworden. Das hier war nicht mehr der BlitzClan, sondern das Territorium des HagelClans. Meines Clans. Der Hochstein. Katzen, die ich ernannt hatte, ihre Namen irrten alle in meinem Kopf umher. Ich hörte, dass die Gestalten meinen Namen riefen, Echonacht, ihre Blicke brannten wie Feuer. Ich sprang vom Hochstein herab und begab mich zum Anführerbau. Neben dem Bau waren noch immer die Furchen meiner Krallen in der Wand. Tief ins Gestein geritzt und doch mit sehr viel Präzision erschaffen. Ich legte meine Pfote auf die Krallenspur und plötzlich wurde mir bewusst, wie vergänglich das Leben doch sein konnte. Wie ein Blatt eines riesigen Baumes, einer der im Wald neben tausend anderen gedeiht. Es wird eines Tages fallen und im Wind verwehen und irgendwann wird man sich nicht mehr daran erinnern konnen. So bleiben nur kleine Dinge, wie die Furchen im Gestein, die andere daran hinden, einen zu vergessen. Die ganze Angst die ich am Ende meines Lebens hatte, die Angst vergessen zu werden. Die ganze Schuld die ich trug, für alle die Kämpfe die ich geführt hatte. Für die Leben, die ich genommen hatte. All das hatte plötzlich keine Bedeutung mehr und fiel ab wie ein Stein.
Die Umgebung um mich herum verblasst und verwandelte sich in die kalten Fluten zurück. Ich lächelte und atmete tief ein. Ich war bereit zu gehen.